Krematorium – Die letzte Reise – Es war schon ein sehr beklemmendes Gefühl, als wir das ehemalige Krematorium durch ein kleines Loch in einer zugemauerten Tür betraten. Nicht ganz einfach zu erklären, wie man sich an einem Ort fühlt, an dem bis zu 100.000 Verstorbene eingeäschert wurden. Die Grundsteinlegung für das Gebäude war 1909 und nach einem Jahr Bauzeit wurde es bereits eingeweiht. Aufgrund des hohen Grundwasserspiegels wurde es fast vollständig oberirdisch errichtet. Zu der Zeit seiner Entstehung zählte es zu den modernsten Anlagen in Europa.
Veranschlagten für den Bau wurden Gesamtkosten in Höhe von 100.000 Mark, letztendlich beliefen sich die Kosten auf 110.000 Mark. Im Vergleich dazu, wie heutzutage die Baukosten unerwartet in die Höhe steigen bei solchen Projekten, waren die 10.000 Mark damals noch Peanuts. Der Bau der Trauerhalle mit den Seitenhallen kostete 83.600 Mark. Aufgeteilt haben sich die Kosten wie folgt, der Ofen 15.400 Mark, die Versenkungsanlage 3.000 Mark, die Einfriedung 4.600 Mark und die Inneneinrichtung 3.400 Mark. Hinter dem Krematorium errichtete man einen eigenen Urnenfriedhof. In den 1930er Jahren war aufgrund steigender Einäscherungszahlen eine Erweiterung des Gebäudes notwendig. Es wurde in eine leistungsfähigere Verbrennungstechnik, höhere Lagermöglichkeiten und in mehr Platz für das Personal investiert. Man schuf einen rückwärtigen Anbau für das Büro, einen Fahrstuhl und ein Lager. Zusätzlich mauerte man die offenen Säulengänge zu, um zusätzlichen Kühlraum zu schaffen. Das Eis zur Kühlung der Leichen produzierte man in den Kellerräumen mittels Eismaschinen.
Krematorium – Die letzte Reise
In den 1980er Jahren schloss man zuerst die Trauerhalle und demontierte die auf Wasserdruck betriebene Versenkungsanlage. Die restliche Anlage verrichtete noch bis in die 1990er Jahre ihren Dienst. Aktuell vorhanden sind nur noch die Aschemühle und die Techniketage mit dem Einfuhrwagen auf einem Drehkreuz-Schienensystem, dass die Y-förmig angelegten Etagenöfen erreichbar machte. Die Brenner, sowie der Sargtisch wurden nach der Stilllegung demontiert.
Besorgniserregend ist der Gesamtzustand des unter Denkmalschutz stehenden Krematoriums. Während im Trauerraum Vandalen und Schrottjäger gewütet haben, tut die Witterung ihr übriges. In den unteren Etagen findet man Graffiti, Kritzeleien und Brandschäden vor. Der Einfuhrwagen wurde bereits mehrere Male aus den Gleisen gehoben, die Schamottemarken sowie Kunststoff- und Keramikurnen sind weit verstreut auf dem Boden zu finden. Nicht mal ein ehemaliges Krematorium scheint vor der Zerstörungswut einiger heilig zu sein. Der wild verwachsene alte Friedhof bietet eine gespenstisch romantische Kulisse.
Verwendete Ausrüstung:
Stand der Bilder: März 2017